Der Kläger fuhr an einem heißen Sommertag von seiner Arbeit in Reutlingen mit dem Fahrrad
zurück zu seiner Wohnung in Tübingen. Da er stark schwitze, unterbrach er seine Fahrt und sprang zur Abkühlung in den
Neckar. Hierbei zog er sich Brüche mehrerer Halswirbelkörper zu, in deren Folge beim Kläger eine inkomplette
Querschnittslähmung besteht.
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Erbringung von Leistungen ab. Mit dem Entschluss,
eine Abkühlung im Neckar zu suchen, sei die Handlungstendenz des Klägers nicht mehr darauf ausgerichtet gewesen, den versicherten
Heimweg zurückzulegen. Er habe sich vielmehr einer privaten Tätigkeit, dem Baden, gewidmet. Der Zusammenhang zur versicherten
Tätigkeit begründe sich auch nicht aus der vom Kläger vorgetragenen Gefahr, einen Hitzschlag abzuwenden, um am Folgetag
wieder arbeitsfähig zu sein. Gesundheitserhaltende Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gehörten
grundsätzlich zum unversicherten persönlichen Lebensbereich. Zudem habe es ungefährlichere Maßnahmen gegeben, um den
Heimweg trotz Hitze zu bewältigen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.01.2019 hat das Sozialgericht Reutlingen die ablehnende Entscheidung der Berufsgenossenschaft und deren
Argumente bestätigt. Ergänzend hat das Gericht ausgeführt, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein
Versicherungsschutz bei Unfällen in Gewässern, die zur Erfrischung aufgesucht werden, nicht gänzlich ausgeschlossen sei.
Allerdings hat das Gericht das Vorbringen des Klägers, er sei wegen einer „absoluten Notsituation“ auf dem Heimweg mit dem
Rad auf eine „unmittelbare Abkühlung im Neckar“ angewiesen gewesen, nicht überzeugt. Die Unfallstelle sei nur ca. 2
km von der Wohnung des Klägers entfernt und die verbliebene Wegstrecke sei mit keinen erheblichen Steigungen verbunden gewesen. Daher
sei ausgeschlossen, dass der Kläger diese Strecke nicht ohne Erfrischung hätte bewältigen können. Für eine
Freizeitverrichtung spreche auch der Unfallhergang. Aufgrund der erlittenen Halswirbelkörperfrakturen sei davon auszugehen, dass der
Kläger einen Kopfsprung in den Fluss machte. Auch diese sicher nicht zur Erfrischung gebotene Art des Gelangens in das Wasser sei als
Lösung von der versicherten Tätigkeit (dem Heimweg) anzusehen.
Gerichtsbescheid vom 17.01.2019 (Az.: S 4 U 2651/17) – noch nicht rechtskräftig –
Hinweis zur Rechtslage:
§ 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII] - Auszug -
(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um
wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente.
§ 7 SGB VII - Auszug -
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
§ 8 SGB VII - Auszug -
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6
begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper
einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der
Tätigkeit,
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Richter am Sozialgericht
Tel. 07121/940-3333
Vertreter: Holger Grumann
Vizepräsident des Sozialgerichts
Tel. 07121/940-3319
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