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Einstweiliger Rechtsschutz auf Fortführung der Krankenversicherung gegen gesetzliche oder private Krankenversicherung.

Datum: 15.12.2020

Kurzbeschreibung: Einstweiliger Rechtsschutz auf Fortführung der Krankenversicherung gegen gesetzliche oder private Krankenversicherung

Der Antragsteller war wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) seit Jahren privat kranken- und pflegeversichert. Im März 2020 meldete er sich bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse und teilte mit, dass er wegen des Erhalts von Kurzarbeitergeld ab Juni 2020 unterhalb der JAEG liegen werde und daher in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln wolle bzw. müsse. Nach Erhalt eines Bestätigungsschreibens der Antragsgegnerin (AOK), kündigte der Antragsteller seine Versicherungsverträge bei der Beigeladenen (private Krankenversicherung) zum 31. Mai 2020.

Im Juni 2020 erlitt der Antragsteller einen schweren häuslichen Unfall, lag einige Zeit im Koma und ist nun querschnittsgelähmt.

Anfang August 2020 teilte ihm die Antragsgegnerin mit, dass der Erhalt von Kurzarbeitergeld nicht zu einem Unterschreiten der JAEG führe, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hätten. Der Antragsteller sei daher nicht seit 1. Juni 2020 gesetzlich krankenversichert. Die Beigeladene teilte dem Antragsteller auf seine Bitte auf Fortführung bzw. Wiederaufnahme der privaten Krankenversicherung mit, seine Kündigung zum 31. Mai 2020 sei rechtswirksam und er solle sich an die Antragsgegnerin halten, die ihm die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestätigt habe.

Das Sozialgericht Reutlingen hat in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2020 nun entschieden, dass der Antragsteller tatsächlich zu keinem Zeitpunkt Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung war. Das Gericht hat zugleich die beigeladene private Krankenversicherung verpflichtet, die private Krankenversicherung ab dem 1. Juni 2020 zu den alten Konditionen unverändert fortzuführen. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller fälschlicherweise eine Mitgliedschaftsbescheinigung und die Versichertenkarte übersandt habe, ändere nichts daran, dass bei dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung erfüllt waren. Die Antragsgegnerin als gesetzliche Krankenkasse könne das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht durch die Bestätigung einer Mitgliedschaft oder durch das Übersenden einer Versichertenkarte fingieren.

Da sich der Antragsgegner binnen drei Monaten nach Beendigung der privaten Krankenversicherung wieder an das private Versicherungsunternehmen gewandt habe, sei dieses nach § 5 Abs. 9 SGB V verpflichtet, ihn ab dem 1. Juni 2020 zu den ursprünglichen Konditionen wieder aufzunehmen und müsse für die zwischenzeitlich stattgefundenen Behandlungen, die der Antragsteller bisher selbst gezahlt hat, aufkommen.

 Beschluss vom 14.12.2020 (Az.: S 10 KR 2193/20 ER) – noch nicht rechtskräftig – 

 Hinweis zur Rechtslage: 

 § 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V] - Auszug - 
(1)    Versicherungspflichtig sind

1.   Arbeiter, Angestellte und zur ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.

(9)   Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9,  ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. 

Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. 

 § 6 SGB V - Auszug –

 (1)    Versicherungsfrei sind

1.      Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Abs. 6 oder 7 übersteigt, (…).

(6)   Die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach Absatz 1 Nr. 1 beträgt im Jahr 2003 45 900 Euro. Sie ändert sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches) im vergangenen Kalenderjahr zu den entsprechenden Bruttolöhnen und  -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen.

Haben Sie Fragen zu dieser Pressemitteilung, so können Sie sich gerne an die Pressestelle des Sozialgericht Reutlingen wenden:

Raphael Deutscher

Richter am Sozialgericht

Tel. 07121/940-3333

 

Vertreter: Holger Grumann

Vizepräsident des Sozialgerichts 

Tel. 07121/940-3319

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