Der im Jahr 1965 geborene Antragsteller begehrte im einstweiligen Rechtsschutz unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe vom Jobcenter die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Anschaffung von FFP2-Masken. Das Sozialgerichts Karlsruhe war in der besagten Entscheidung davon ausgegangen, dass einem Empfänger von laufenden Leistungen nach dem SGB II ein pandemiebedingter Mehrbedarf für die Nutzung von 20 FFP2-Masken wöchentlich als Sachleistung, hilfsweise als Geldleistung unter Ansatz von 1,50 € pro Maske (monatlich 129,00 €) zustünde.
Die 4. Kammer des Sozialgerichts Reutlingen hat die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe für
nicht richtig erachtet und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Es sei nicht glaubhaft, dass der Antragsteller auf die
Nutzung von 20 FFP2-Masken wöchentlich angewiesen ist. Nach der aktuell gültigen Corona-Verordnung bestehe eine alternativlose
Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske für einen erwachsenen Arbeitsuchenden nämlich nur beim Besuch von Krankenhäusern
und stationären Einrichtungen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf. Anders als das Sozialgericht Karlsruhe
meine, stelle dies keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar. Soweit ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der
Nutzung von FFP2-Masken in Situationen, in denen dies nicht zwingend vorgeschrieben sei, vorliege, fehle es angesichts des geringen
Anschaffungspreises für diese Masken (0,845 €/Maske) und flankierender gesetzgeberischer Regelungen (zehn Gratismasken im
März 2021 und 150 € pandemiebedingte Sonderzahlung im Mai 2021) an einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung. Im Übrigen
würden sich selbst voll im Erwerbsleben stehende und gutverdienende Menschen nach allgemeiner Lebenserfahrung keine FFP2-Masken im
Wert von 129,00 € pro Monat anschaffen. Schließlich gehe es hier um Aufwendungen für den Kauf von Masken, wie sie bei allen
erwachsenen Menschen in Deutschland gerade anfallen. Der geltend gemachte Mehrbedarf stelle daher keinen Einzelfall dar.
Auch die 7. Kammer des Sozialgerichts Reutlingen hat in einem gesonderten Beschluss vom 10.03.2021 (Az.: S 7 AS 410/21 ER) den Antrag der
Antragsteller auf einen „Corona-Mehrbedarf“ (z.B. für das Besorgen von FFP2-Masken) abgelehnt. Zur Begründung wurde
unter anderem ausgeführt, dass sich aus dem pauschaliert gewährten Regelbedarf derzeit Einsparungen generieren ließen, da
wegen der Einschränkungen des öffentlichen und sozialen Lebens auf Grund des sog. lockdowns gewisse im Regelbedarf enthaltenen
Beiträge (z.B. Verkehr (40,01 €), Kultur und Freizeitgestaltung (43,52 €) und Gaststättendienstleistungen (11,65
€)) nicht bzw. kaum eingesetzt werden könnten.
Beschluss vom 09.03.2021 (Az.: S 4 AS 376/21 ER) –rechtskräftig –
Beschluss vom 10.03.2021 (Az.: S 7 AS 410/21 ER) – noch nicht rechtskräftig –
Hinweis zur Rechtslage:
§ 21 Abs. 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II): Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Haben Sie Fragen zu dieser Pressemitteilung, so können Sie sich gerne an die Pressestelle des Sozialgericht Reutlingen wenden:
Raphael Deutscher
Richter am Sozialgericht
Tel. 07121/940-3333
Vertreter: Holger Grumann
Vizepräsident des Sozialgerichts
Tel. 07121/940-3319
Haben Sie diese Pressemitteilung verwertet? Für Ihre kurze Rückmeldung wären wir dankbar!